Schlankmacher-Bakterien

Gleich drei Bakterienarten sind die Gegenspieler der Dickmacher. Das sind jene Darmbakterien, die erkannt haben, dass dem Körper täglich genug oder sogar zu viel Nahrung zugeführt wird und dass das für ihren Wirt gar nicht gesund ist, weshalb sie die „leeren“ Kohlenhydrate isolieren und ungebraucht aus dem Körper abtransportieren. Dazu gehören vor allem die Bacteroidetes, die Akkermansia und die Bifidos, die den di(c)ktatorischen Firmicutes den Kampf ansagen. Die Bacteroidetes sind wahre Kilo-Killer. Sie haben erkannt, dass es nicht notwendig ist, sämtliche Kohlenhydrate zu verstoffwechseln, wenn ohnedies genug vorhanden ist, um dem Menschen, der sie ja täglich so großzügig ernährt, ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen. Ganz im Gegenteil! Je mehr Zucker, umso höher steigt der pH-Wert, umso mehr krank machende Bakterien siedeln sich an. Das scheint nicht in ihrem Sinn. Studien haben gezeigt, dass bei einer Bacteroidetes-Vormacht rund zehn Prozent der gegessenen Kalorien einfach wieder über den Stuhl ausgeschieden werden. Und diese Bakterien haben noch einen Vorteil für die Figur: Sie bilden bei der Verstoffwechslung Substanzen, die die Fettspeicherung hemmen und schneller satt machen. Wenn Bacteroidetes die Überzahl im Darm haben, werden wir tatsächlich zu schlechteren Futterverwertern.

Auch die Akkermansia muciniphila können ihren Wirt rank und schlank erhalten. Sie sind zuständig für die Schleimschicht in unserem Darm, auch Mucus genannt. Diese Bakterien fressen alten Schleim auf und sorgen so dafür, dass die Becherzellen des Darms immer wieder neuen, besonders zähen Schleim produzieren. Auf diese Weise werden die Darmzellen geschützt, und es können sogar schon porös gewordene Darmwände wieder abgedichtet werden. Die Darmbarriere ist lebenswichtig, denn sie ist die Passage, in der entschieden wird, welche Nahrungsbestandteile ins Blut dürfen und welche nicht. Wird die Zahl der Schutzschleim-produzierenden Bakterien reduziert, etwa durch zu süßes oder zu fettes Essen, dann wird die Schicht durchlässiger: einerseits für energiereiche Substanzen, aber auch für Toxine, Keime usw. Sogleich wird das Immunsystem hochgefahren, und es entstehen Entzündungsreaktionen – zuerst im Darm, wenig später aber auch in anderen Bereichen des Körpers, in den Gelenken, am Herzen und in den Gefäßen. Der Organismus wird geschwächt, durch die erhöhte Energiezufuhr steigt das Gewicht, aber auch die Leberverfettung und das Diabetesrisiko. Dem Stoffwechselforscher Patrice Cani von der Katholischen Universität im belgischen Louvain ist im Tierversuch gelungen, durch die Vermehrung von Akkermansia– Bakterien (mittels Gabe eines Präbiotikum aus kurzkettigen Fructo- und Galacto-Oligosacchariden) diabeteskranke Mäuse zu kurieren. Auch in der Humanmedizin wird intensiv in diesem Bereich geforscht, z. B. an der Medizinischen Universität in Graz. Denn was so bemerkenswert an den Akkermansia-Bakterien ist, zeigte sich gleich: Durch den neu gebildeten zähflüssigen Schleim konnten schnell verdauliche Zucker nicht mehr so rasch aufgenommen werden, was trotz gleichbleibender Ernährung zu einer Gewichtsabnahme und zu einem positiven Einfluss auf Nüchternzucker und Insulinresistenz führte. Das Bakterium selbst produziert übrigens auch etliche Stoffe, die Energie für weitere Bdarmbakterienakterien liefern und so zur Ausbreitung anderer positiver Bakterienkulturen im Darm beitragen. Es ist also eine Art Treibstoff für die guten Bakterien, speziell für Faecalibacterium prausnitzii, eine wegen ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften wichtigen Bakterienart. Auf das Problem hoher Entzündungswerte bei übergewichtigen Menschen werden wir etwas später noch eingehen. Im Darm normalgewichtiger Menschen macht dieses Bakterium drei bis fünf Prozent aus, bei Übergewichtigen ist es deutlich seltener.

Die Familie Bifidos kennen wir alle aus den diversen Joghurtwerbungen. Und auch wenn diese Joghurts nicht unbedingt alles halten, was die Werber versprechen: Die Bifidobakterien tun es. Sie sind Hauptprotagonisten, wenn es um Gesundheit und Bikinifigur geht. Bifidobakterien bekommen schon Säuglinge mit der Muttermilch übertragen, und das ist auch gut so. In Finnland beobachteten Mikrobiologen 50 Kinder von der Geburt bis zu ihrem siebten Geburtstag. Sie verfolgten die individuelle Entwicklung der Darmflora und glichen sie mit Gesundheitsdaten und dem Körpergewicht ab. Das Ergebnis war eindeutig: Kinder, die mit sieben Jahren übergewichtig waren, wiesen deutlich weniger Bifidobakterien in ihrem Darm auf als Normalgewichtige. Umgekehrt trat der Dickmacherkeim Staphylococcus, also ein Firmicutes-Familienmitglied, bei den übergewichtigen Kindern sehr viel häufiger auf als bei den dünnen Kids. Bifidobakterien bieten einen guten Schutz vor Übergewicht, deshalb neigen gestillte Babys deutlich weniger zum Dickwerden als Flaschenkinder: Die Muttermilch ist sehr reich an Bifidobakterien. Alles in allem sind Bifidobakterien großartige Mitbewohner, die uns fast ausschließlich Gutes tun: Sie schützen uns zum Beispiel vor Infektionen. Aber Achtung: Bifidos können uns auch ganz einfach wieder verlassen – nämlich immer dann, wenn wir ihnen zu viel fettes Essen zumuten, dem Genuss zu vieler (Trans-)Fette frönen. Was sie allerdings lieben und für ihr Leben gerne essen, sind die Ballaststoffe von Chicorée, Zwiebeln, Spargel, Knoblauch etc.

Die Forschung ist derzeit wirklich mit Vollgas an der Arbeit und will ergründen, was die Bifidos noch alles können. Es gibt klare Hinweise darauf, dass sie auch bei Reizdarm, Angst und Panikattacken, depressiven Verstimmungen und vielem mehr positive Auswirkungen haben.

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