Dickmacher-Bakterien

Die Firmicutes bilden einen Stamm, der aus verschiedenen Untergruppen wie etwa Clostridien, Laktokokken, Staphylokokken usw. besteht. Sie leben vor allem im Dickdarm, eben dort, wo eigentlich die bereits verdauten Nahrungsbestandteile ankommen, sie essen für ihr Leben gern und nehmen ihre Arbeit extrem genau. Haben die Firmicutes – und da speziell die ballaststoffspaltenden Clostridien – die Übermacht, dann herrscht im Darm Kriegszustand. Denn sie verhalten sich, als müssten sie sich wie in Kriegszeiten gegen die Hungersnot schützen und für schlechte Zeiten Energie bunkern. Sie betreiben eine Art „Abfallwirtschaft oder Recylinghof“ und haben sich dafür eine äußerst effiziente Arbeitsweise zurechtgelegt. Sie zerlegen jeden Nahrungsbestandteil bis zum allerletzten Teilchen und holen so aus eigentlich unverdaulichen Ballaststoffen noch einmal Energie, also Kalorien heraus. Unseren Vorfahren in der Steinzeit haben diese „Abnehmbremsen“ das Überleben gesichert. Evolutionstechnisch macht es ja durchaus Sinn: Gute Futterverwerter hatten bessere Überlebenschancen und somit auch bessere Fortpflanzungschancen. Und sie gaben dann übrigens ihre Gene an die nächsten Generationen weiter … und auch ihre Bakterien. Doch heute, in unserer Zeit des Überflusses, sind diese Steinzeitbakterien nur noch lästig und werfen eigentlich jede Kalorientabelle über den Haufen. Denn dank der Firmicutes werden aus rund 15 Kilokalorien, wie sie etwa 100 Gramm Salat liefern, stattliche 18 Kilokalorien. Das heißt, man nimmt um 20 Prozent mehr Kalorien zu sich, als man gedacht hat – was auf den ersten Blick nicht besonders viel zu sein scheint.firmicuten

Hochgerechnet auf die tägliche Ernährung bedeutet das allerdings eine zusätzliche stoffwechselbedingte Kalorienzufuhr, die nicht zu vernachlässigen ist: Bei einer empfohlenen täglichen Energiemenge von 1.800 bis 2.400 Kilokalorien für Frauen sind es ca. 200 Kilokalorien mehr, bei 2.300 bis 3.000 Kilokalorien für Männer etwa 250 Kilokalorien. Das sind im Monat bei Frauen 6.000 Kilokalorien und bei Männern 7.500 Kilokalorien zusätzlich, sprich rund zwei Kilogramm (!) mehr auf der Waage.

 

Der Schlüssel zu diesem Phänomen liegt in der speziellen Verstoffwechslungstechnik der Firmicutes: Aus unverdaulichen Ballaststoffen (also langkettigen Kohlenhydraten) produzieren sie viele kurzkettige Kohlenhydrate (also Zucker) und stellen diese unserem Organismus zusätzlich zu unserer „bewussten“ Nahrung vorsorglich zur Verfügung. Das heißt, wenn die Firmicutes im Darm das Sagen haben, bekommen wir selbst bei einer Low- oder sogar bei einer No-Carb- Ernährung immer noch eine ganze Menge Kohlenhydrate ab. So wird dann jedes Salatblatt wie all die anderen ballaststoffangereicherten (Diät-)Lebensmittel (z. B. auch Zellulose), deren eigentlicher Sinn die Gewichtsabnahme ist, zu einem ungeliebten Schwimmreifen um die Hüften. Die effektive Arbeitsweise der Firmicutes konnte auch nachgewiesen werden. So enthält der Stuhl von Menschen, die eine große Menge an Firmicutes im Darm haben, tatsächlich weniger Kalorien als jener von Menschen mit vielen Bacteroidetes. Kein Wunder! Diese Kalorien wurden von den Firmicutes bereits zu Fett umgewandelt und eingelagert! Aber die Kohlenhydratproduktion ist nicht nur figurtechnisch ein Problem: Die von den Firmicutes– Bakterien verstoffwechselten Kohlenhydrate sind Zucker, die zu Triglyceriden umgebaut werden können – dadurch wird das Blut dickflüssiger und fließt nur noch zäh durch die kleinen Adern. Es werden also nicht nur Fettpölsterchen „für schlechte Zeiten“ angelegt, sondern es entsteht auch die Basis für Erkrankungen der Leber und des Herz-Kreislauf-Systems. Fleiß und Genauigkeit der Bakterien brauchen ihre Zeit. Deshalb kann es sein, dass der Nahrungsbrei auch viel länger als eigentlich notwendig in unserem Darm unterwegs ist – wir merken die „Überstunden“ der Firmicutes manchmal auch als träge Verdauung. Je mehr Firmicutes im Darm wohnen, desto mehr Zeit brauchen die Bakterien, auch die allerletzten Energiedepots aus der Nahrung abzubauen und in Zucker und Fett umzuwandeln. Und somit hat der Teufelskreis begonnen …

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