Verdauung

Die Verdauung beginnt bereits im Kopf. Denn allein schon die Vorstellung eines Tellers, voll mit köstlichem Essen, stimuliert die Produktion der Speichelenzyme im Mund – und hier sitzen auch die ersten Grenzpatrouillen des großen Tunneleingangs. Diese „netten“ Bakterien haben schon vor dem ersten Bissen Bereitschaftsdienst. Ist die Nahrung im Mund gelandet, heißt es zuallererst einmal gut kauen. Denn so wird nicht nur alles grob zerkleinert, auch der Speichelfluss wird nochmals ordentlich angeregt – und das ist der erste wichtige Arbeitsschritt in Sachen Verdauung. Die im Speichel enthaltenen Enzyme spalten die wichtigsten Nahrungsbestandteile auf und neutralisieren gleich einmal die ersten unerwünschten Eindringlinge, sprich Keime. Der Speichel an sich macht zudem die Nahrungsteile gleitfähig und sorgt so für einen ungehinderten Transport durch die Speiseröhre (Ösophagus) in den Magen.

Der Magen ist ein ballonartiger Muskelsack, der im völlig entleerten Zustand ein Innenvolumen von nur rund 60 Millilitern hat – durch (viel) Essen kann dieses Volumen problemlos auf ein bis zwei, manchmal sogar drei Liter anwachsen. In diesem dehnbaren Organ werden die Essensteile in millimeterkleine Partikel zerlegt und mit Enzymen und einer ordentlichen Menge Magensäure bearbeitet – bis aus unserem Essen eine zähflüssige, Smoothie-ähnliche Masse geworden ist. Dafür produziert jeder Mensch pro Tag etwa zwei Liter salzsäurehaltigen Magensaft, und der sorgt für ein sehr bakterienfeindliches Milieu. Das heißt, hier ist an sich die Grenze für die meisten der krank machenden Keime, im Magen werden sie schnellstmöglich abgetötet. Einige Bakterienarten schaffen es aber nicht nur sehr gut durch die Magensäure – manche, etwa der für viele Menschen gar nicht angenehme Helicobacter pylori, haben sich an die unwirtlichen Gegebenheiten im Magen angepasst und fühlt sich hier absolut wohl. Weshalb Helicobacter pylori manchen Menschen schadet und andere gut mit ihm zurechtkommen, das ist eine andere Geschichte, über die zur Zeit sehr intensiv geforscht wird.Die Verdauung beginnt im Mund.

Vom Magen geht es weiter über den Magenpförtner in den Zwölffingerdarm. Hier zerlegen die Verdauungssekrete der Leber, der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse die Bestandteile des Nahrungsbreis in winzig kleine Substanzmoleküle, die von den Körperzellen dann leicht aufgenommen werden können. Weiter geht es in den fünf bis acht Meter langen Dünndarm, das ist die wirkliche Hauptabteilung der großen Verdauungsfabrik. Hier werden mit Hilfe von unzähligen Bakterien aus dem Nahrungsbrei alle brauchbaren Nähr- und Vitalstoffe herausgefiltert. Dafür sitzen auf jeder einzelnen Dünndarmzotte Zellen, die vorbeiströmende Nährstoffmoleküle absorbieren und den winzigen Blutgefäßen zuführen. Alle diese Blutgefäße laufen in einem großen Gefäß am Ausgang des Dünndarms zusammen, der sogenannten Pfortader (Vena portae), und transportieren von hier sämtliche Nahrungsbestandteile in die Leber. Wenn diese in einem guten Zustand ist, kommt ihr eine enorm wichtige Aufgabe zu: Sie überprüft nämlich nicht nur alles, was über die Pfortader einlangt, um sicherzustellen, dass nur jene Bestandteile in unser Körperinneres gelangen, die dem Menschen nutzen, sondern sie ist auch in der Lage, die giftigen Bestandteile abzubauen. Dies ist auch notwendig, denn gleich im Anschluss geht es weiter zu unserem Herzen, welches das nun mit Nährstoffen angereicherte Blut als „Lebenstreibstoff“ oder eben Energie in kräftigen Stößen zu den vielen Zellen unseres Körpers pumpt.

Alles Unbrauchbare oder Schädliche aus der Nahrung, das nicht für wert gehalten wird, uns Energie und Lebenskraft zu verschaffen, verbleibt im Darm, wird angereichert mit abgestorbenen Darmzellen und Bakterien und landet schließlich im etwa anderthalb Meter langen Dickdarm. Hier wird dem verbliebenen Nahrungsbrei sukzessive Wasser entzogen, und Unmengen an Bakterien sorgen in diesem Teil dafür, dass die übrig gebliebene Nahrung auf alle noch möglicherweise verwertbaren Substanzen untersucht wird, während sie stark eindickt. Das Gehirn gibt schließlich das Signal zum Ausscheiden – beim einen früher, beim anderen später. Und wie Sie gleich sehen, hat das natürlich Auswirkungen auf das Gewicht. An sich passiert im Dickdarm eher wenig. Denn der Dickdarm ist der gemütlichste Part des ganzen Verdauungssystems und lässt sich für seine Arbeit viel Zeit. Im Dünndarm wird manchmal schon die vierte Essenslieferung bearbeitet, während der Dickdarm noch immer gewissenhaft über dem Nahrungsbrei der ersten Mahlzeit sitzt. Es kann zwischen 16 und 60 Stunden dauern, bis der Dickdarm seinen Job getan hat. Während im Dünndarm die Zotten wichtig für die Verdauung sind, machen im Dickdarm die Bakterien selbst die Arbeit.

 

Die Forschung geht davon aus, dass bis zu 99 Prozent aller Darmbakterien im Dickdarm (Colon) leben – vielfach ganz andere als im Dünndarm und im Magen. Es ist ein eigenes Ökosystem mit zehnmal mehr Bakterien als ein Mensch eigene Zellen hat und hunderttausendmal mehr Bakterien als es Menschen auf der ganzen Erde gibt. Und hier werden im wahrsten Sinn des Wortes essenzielle Entscheidungen getroffen: über Gesundheit und Krankheit, über Unverträglichkeiten und Allergien – und eben auch darüber, ob wir zu Fettpölsterchen oder eher zur Bikinifigur neigen.

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